Gibt es einen gerechten Krieg?

Wir kennen Krieg aus den Nachrichten. In anderen Teilen der Welt passieren schlimme Dinge: Gruppen mit extremen Überzeugungen erhalten Geld und Waffen und zwingen ihren Willen anderen Menschen auf, die darunter leiden und keine Möglichkeit haben, dem Leid zu entkommen. Wir sehen das und möchten etwas tun. Helfen. Das Leiden beenden. Die Menschen von denen befreien, die Schaden anrichten.

Das in etwa ist, was Menschen, die gar nicht direkt konfrontiert sind, bewegt, in einen Krieg einzuschreiten oder ebenfalls einzutreten. Wir können doch nicht einfach zusehen. Die Frage stellt sich immer, ob es so einfach geht, die Guten zu schützen und die Bösen aufzuhalten und zu vernichten. Kann Krieg gerecht sein?

Menschen, die darüber nachgedacht haben, stellten eine Theorie über den gerechten Krieg auf, die fünf Punkte auflistet, die erfüllt sein müssen, damit es sich um einen gerechten Krieg handelt:

1. Es muss eine gerechte Ursache geben (ein Aggressor muss zurückgeschlagen werden)

2. Es muss eine gerechte Absicht geben (Frieden und Gerechtigkeit werden erzeugt)

3. Krieg ist nur die allerletzte Möglichkeit, alle diplomatischen Bemühungen wurden ausgeschöpft

4. Krieg kann nur von einer anerkannten Autorität erklärt werden

5. Es muss eine gute Möglichkeit für Erfolg gegeben sein

 

 

Dazu kommen zwei weitere Punkte, die die Gerechtigkeit IM Krieg behandeln:

6. Zivile Bevölkerung darf nicht direkt angegriffen werden

7. Die Mittel, die genutzt werden, müssen in einem nachvollziehbaren Verhältnis zum beabsichtigten Kriegsende stehen

 

 

Die Punkte sind allgemein formuliert und der genaue Wortlaut unterscheidet sich ein klein wenig von Version zu Version der Theorie aber das hier kann als einheitlicher Überblick dienen. Dabei gilt: nicht einer aus fünf, nicht drei von fünf, nein, hinter alle Punkte gehört ein Häkchen, damit das ganze als gerechter Krieg gilt.

Nun gibt es eine Menge Argumente, mit denen man die genannten Punkte zerrupfen kann. Wir beginnen ganz allgemein. Nachher dann nochmal Punkt für Punkt.

Es ist fraglich (freundliches Wort um sachlich zu bleiben), ob man einen Krieg jemals „gerecht“ nennen kann. Krieg bedeutet immer für viele Menschen den Tot oder Verletzungen und eben auch für Zivilisten, die zusätzlich unter allen Einschränkungen und Folgen von Kriegen leiden.

Die Argumentation idealisiert das Vorgehen im Falle eines Krieges. Das ist nicht immer Realität. Bevor es zu einem Kriegsausbruch kommt, herrschen äußerst irrationale Motivationen von verschiedenen Seiten und es geht chaotisch durcheinander.

Manche sagen auch, allein dadurch, dass es solche Kriterien gibt, wird Krieg wahrscheinlicher, denn damit klingt es so als wäre es eine ganz sinnvolle Überlegung es so zu handhaben. Dabei sind die Kriterien selbst so schwammig und allgemein-positiv formuliert, dass man sie ähnliche wie Horoskope immer heranziehen kann um etwas zu begründen oder zu legitimieren.

Zudem sei bemerkt, dass derlei Überlegungen gerade auch von Staaten geführt werden, die sich selbst gar nicht unmittelbar bedroht fühlen. Deutschland darf ohnehin nur Verteidigungskriege führen – die Verfassung mahnt da der Vergangenheit – und sieht sich weder jetzt noch in absehbarer Zukunft einer unmittelbaren Bedrohung durch Krieg gegenüber.

In der Realität halten die Punkte nicht stand. Von denen, die Kriege führen, sagt das niemand und man gibt sich alle Mühe den Schein aufrecht zu erhalten, doch faktisch wird an allen Ecken und Enden gegen die einzelnen Punkte verstoßen.

Gehen wir die Punkte noch einmal von oben nach unten durch:

1. Es muss eine gerechte Ursache geben (ein Aggressor muss zurückgeschlagen werden)

Die wenigsten Kriege sind reine Verteidigungskriege (das macht ja schon mathematisch keinen Sinn) bei denen der klar auszumachende Böse abgewehrt wird. Oft haben alle Seiten Interessen, die mit Waffengewalt verfolgt werden. Das ist nicht immer leicht auszumachen, denn gerade Staaten, die räumlich eng beieinander liegen haben eine lange gemeinsame Geschichte und Konflikte sind nicht zum klaren Ursprung zurück zu verfolgen. Jede Seite hat Ansprüche und Argumente auf ihrer Seite und es ist nicht immer leicht zu sagen, wer eigentlich der Aggressor ist. Ein Beispiel kann der entsetzlich komplizierte Nah-Ost-Konflikt sein.

2. Es muss eine gerechte Absicht geben (Frieden und Gerechtigkeit werden erzeugt)

Frieden und Gerechtigkeit möchte jeder gerne, aber was er darunter versteht kann unterschiedlich sein. Oft haben Parteien, die einen Krieg erklären nicht so allgemeine, ideale Ziele vor Augen. Vielleicht geht es um Rohstoffe (wir müssen Trinkwasserquellen sichern, um eine stabile Zukunft für unsere Bevölkerung zu haben) oder um Unterdrückung (der andere Stamm nutzt uns aus, wir müssen uns wehren). Nach Frieden und Gerechtigkeit kann man gut in ein Mikro schreien, um die Mengen zum Jubeln zu bringen.

3. Krieg ist nur die allerletzte Möglichkeit, alle diplomatischen Bemühungen wurden ausgeschöpft

Krieg ist nicht immer die letzte Möglichkeit. Ein Beispiel ist hier der kurze Krieg um die Falklandinseln. Die damalige britische Premierministerin Thatcher sah gute Chancen ihre Position zu behalten, in dem sie einen Krieg begann. Verhandlungsangebote und Friedenskonferenzen brach sie ab, sie hatte sich selbst längst zu einer militärischen Aktion entschlossen. Dieses Vorgehen hält sich, viele politische Führer beginnen Kriege, um an der Macht zu bleiben, denn wer Krieg beginnt, der darf ihn meist auch zu Ende führen und wird dafür auch wieder gewählt. (Hat bei ihr auch funktioniert und ähnliches sagt man auch über Bush).

4. Krieg kann nur von einer anerkannten Autorität erklärt werden

Wer oder was eine anerkannte Autorität ist, ist etwas offen. Der sogenannte Islamische Staat ist nur ein sogenannter Islamischer Staat. International wird er aus mehreren triftigen Gründen nicht als „Staat“ anerkannt. Können Terrorgruppen anerkannte Autoritäten sein? Allgemein gilt: Nein. Trotzdem befindet man sich an mehreren Stellen auf dem Planeten mit ihnen im Krieg.

5. Es muss eine gute Möglichkeit für Erfolg gegeben sein

Jeder erhofft sich den Erfolg. Sonst würde man wohl gar keinen Krieg führen sondern sich in weiser Voraussicht über Tod und Zerstörung gleich ergeben. Macht man aber meist nicht, bevor die Vernichtung nicht unmittelbar wird. Am Ende eines Krieges wird dann definiert, wer als Sieger und Verlierer daraus hervorgeht, wirklichen Erfolg hat eigentlich niemand, denn immer sterben Menschen und weitere Verluste und Entbehrungen folgen.

6. Zivile Bevölkerung darf nicht direkt angegriffen werden

Würde zivile Bevölkerung nicht angegriffen werden, würden keine Zivilisten sterben. Tatsächlich gibt es militärische Aktionen von denen wichtige Politiker hinterher behaupten, es hätte keine Zivilisten unter den Opfern gegeben. Solche Aussagen sind nur möglich, wenn man das Wort Zivilist und Opfer sehr genau zu Gunsten der Aussage definiert. Ein Beispiel ist hier die Bombardierung Libyens.

Dazu kommen noch Opfer, die durch indirekte Gewalt, also z.B. an Hunger und Krankheit als direkte Folgen des Krieges sterben. In bestimmten Gebieten wie Zentral-Afrika kommen dadurch neun getötete Zivilisten auf einen getöteten Kämpfer.

7. Die Mittel, die genutzt werden, müssen in einem nachvollziehbaren Verhältnis zum beabsichtigten Kriegsende stehen

Mitte des letzten Jahrhunderts warfen die Amerikaner zwei Atombomben auf Japan. Man war sich als Welt insgesamt schnell einig, dass das keine gute Idee ist und man so etwas besser nicht noch einmal macht. Heute gibt es zig Tausend Atombomben, viele Tausend mehr als nötig wären um den gesamten Planeten zu zerstören. Wie Trump so schön sagte: Wenn wir sie haben, warum nicht auch benutzen?

So. Zeit für Fazit. Wir müssen uns erinnern, das wir ja am Anfang mal noble Absichten hatten. Niemand hat gesagt: auja, lass uns andere umbringen. Trotzdem ist es das, was faktisch passiert. Das kann viele Beweggründe haben und viele davon sind nachvollziehbar. Allerdings meist für die Seite, die sie vorbringt. Denn moralische Argumente ziehen meist nur als Begründung für die eigene Sicht der Dinge.

Die Frage, ob ein Krieg gerecht ist, stellt sich wie so viele ethische Fragen genau dann, wenn man es mit etwas zu tun hat, was ethisch nicht in Ordnung ist. Es finden sich dann trotzdem Argumente dafür (siehe oben). Die kann man verwenden, um den eigenen Standpunkt zu untermauern. Oder man reflektiert kritisch darüber, ob das wirklich das beste ist, was man für sich, andere und den Rest der Welt tun kann.

Außerdem sei angemerkt, dass man eine ethische Diskussion über Krieg, Frieden und Gerechtigkeit nicht abschließend in bis hier hin 8454 Zeichen durchnudeln kann. Wer‘s noch genauer haben mag, dem sei das Buch „Engineering Ethics“ von Richard Bowen ans Herz gelegt, daraus stammt auch die angeführte Theorie nebst einiger Argumente.






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