Quentin Tarantino ist ein kleiner Weltverbesserer. Ein großer Regisseur mit noch größeren Visionen, die er UNBEDINGT GENAU SO umgesetzt haben mag, aber eben auch jemand, der der Welt oder besser gesagt seinem Publikum gerne etwas geben möchte, was noch über Nervenkitzel und Gefühlsachterbahn hinaus geht. Ihm wäre es wohl sonst langweilig. Gut für uns.
In seinen Kill Bill-Filmen kreiert er einen weiblichen Helden, der zwei volle Tarantino-Fimlängen Zeit bekommt, vom wilden Osten in den wilden Westen zu jetten, alles und jeden mit einem feinen Samurai-Schwert nieder zu säbeln und Dinge fertig zu bringen, von denen der Zuschauer permanent glaubt, dass sie nicht fertig zu bringen sind obwohl der Film selbst gleich zu Anfang zeigt, das längst alles fertig gebracht ist.
Das ist wahre Regie-Kunst. Dabei muss ich kurz – bevor wir wirklich auf unseren Heldin eingehen – sagen, dass der Film vielleicht nicht der Beste ist, der je gedreht wurde und auch für Tarantino-Standarts nicht mein Liebling ist. Immerhin haben sie von Volume 1 auf 2 das reichlich lächerliche Blutgepritze aus abgehackten Gliedmaßen abgestellt. Immerhin.
Aber das soll keine Filmkritik werden, hier geht’s um darum, dass ein modernes Vorbild erschaffen wurde, zu dem Frauen aufblicken sollen. Und das macht doch Spaß: was ist das für eine Person, zu der wir da in Verbindung treten, die uns für unser eigenes Leben inspirieren soll?
Los geht’s damit, dass wir ihren Namen nicht erfahren. Ein klassischer Kunstgriff von Tarantino, den er gerne und ausgiebig ausspielt: Semi-Essentielle Informationen werden vorenthalten. Man denke nur an den leuchtenden Koffer aus Pulp Fiction. Hier könnte der fehlende Name aber etwas mehr als nur ein Spannungs-Element sein, um das Publikum gebannt zu halten.
Uns interessiert ihre Geschichte, wie sie so blutverschmiert auf dem Kirchenboden gelandet ist, aber das wäre zu simple. Sie hat ein klares Motiv, dass sehen wir sofort und das muss genügen. Kein Grund hier in die Tiefe zu gehen, sonst würden wir in eine bestimme Liebesbeziehung, Vaterkomplexe oder was auch immer abdriften. Das würde den Charakter herabsetzen. Unsere Heldin ist kein nicht-verarbeiteter-Komplex und kein Opfer anderer. Unsere Heldin wird definiert durch einige klar ausgestaltete Eigenschaften und ihre Handlungen.
Zu keinem Zeitpunkt (und das sind bei zwei Tarntino-Filmen eine Menge Zeitpunkte!) ist sie ein Opfer. Sie ist aktiv, sinnt nach Rache, unternimmt Schritte und geht immer nur vorwärts. Dabei gibt es ein paar Punkte, die besonders darauf zugeschnitten sind, eine Rollenfunktion der Weiblichkeit zu übernehmen:
– Sie zeigt keine Erschöpfung. Ihre Mission ist wirklich anstrengend und in ihren Kämpfen hat sie es mit ernsthaften Gegnern zu tun, die sie verletzen. Sie empfindet Schmerzen. Aber sie macht keine Pausen. Es gibt keine Rückschläge. Sie befreit sich nicht aus der Erde, sagt sich scheiße vielleicht ist das doch alles nichts, ich kann das so nicht alleine, ihr könnt mich alle mal, und nimmt erst mal ein heißes Schaumbad. Sie klopft sich nicht einmal den Dreck ab, nimmt das Schwert und zieht wieder genau dahin, wo sie einen Tag vorher niedergeschossen wurde – ohne eine Spur Erschöpfung.
Dieser etwas unrealistische Wesenszug unterstreicht ihre bedingungslose Überzeugung und Hingabe an die Aufgabe, die sie erfüllt. Sie probiert es nicht mal, versucht nicht hier und da etwas, nein, sie ist entschieden.
– Sie zeigt transparente, angebrachte Gefühle. Trotz der eisernen Bestimmtheit, mit der sie ihren Plan angeht und umsetzt wird sie nicht zu einer Killer-Maschiene. Sie kennt Angst und Verzweiflung und zeigt und lebt sie auch, wenn sie sich in den Umständen befindet.
– Sie empfindet tiefe, warme Liebe. (Also falls es bis hierhin nicht schon klar war, SPOILER AHEAD!) So sehr sie auch von ihrem Rachedurst getrieben wird und so viele Menschen sie auch tötet, sie liebt ihre Tochter mit Madonnen-gleicher Hingabe. Tarantino vergisst darüber aber nicht, uns zu zeigen, dass dies sie nicht zur passiven Hausfrau macht, sondern sie das gleiche wilde Tier bleibt, dass sie immer war. Wie sie ihr weiteres Leben tatsächlich gestaltet bleibt offen aber genau das ist auch nicht wichtig, denn wir haben bis zur letzten Szene wahrlich gelernt, dass diese Frau nicht durch ihre Umstände definiert wird sondern weise von Moment zu Moment entscheiden kann, wie sie aktiv ihr Leben gestalten möchte und das Liebe und Tatendrang in einer Frau kein Widerspruch sind.
Ein schöner Bonus sei noch erwähnt: Tarantino gönnt es ihr ganz klassisch Helden-like mit einem Schwert durch die Gegend zu laufen. Das tun moderne Heldinnen meist nicht. Alte haben mal zum Küchenmesser gegriffen und moderne Heldinnen haben meist einen Bogen. Unsere Heldin aber das das Symbol für Männlichkeit – oder nennen wir es gleich Phallussymbol – schlechthin führen und das sehr elegant, auf dem Cover sogar mit sinnlicher S-Kurve in der Hüfte.