Pariser Fashionweek: Was sagen uns die Masken?

Mode ist einer der unzähligen Spiegel unserer Werte und Vorstellungen. Designer greifen – wenn sie gut sind – den Zeitgeist auf und setzten das, was ihrem Gespür nach in der Luft liegt in ihre Mode um. Diese wiederum reflektiert die verschiedenen Rollen und Vorstellungen darüber, was anziehend und abstoßend ist wieder.

Frühere Beispiele aus den letzten Jahren sind die weiten, großen doppelreihigen Blazer für Frauen, die mit dem Erstarken von polemischen Männern wie Donald Trump einherging oder der darauf folgende Trend des Militär-Stils, der die Furcht vor einer militärischen Eskalation wieder spiegelte.

Gerade ist der große Mode-Monat mit unzähligen Fashion-Shows in New York, London, Mailand und nun auch Paris vorüber gegangen. Einer der Trends, der sich schon vor Jahren eingeschlichen hat und wieder von verschiedenen Designern aufgegriffen wurde, waren Masken.

Marine Serre zeigte zu den charakteristischen Mond-Prints verschiedene Ausfertigungen, von R-Pur-Designs bis hin zur vollen Verschleierung mit gestickten Blümchen um nicht erkennbare Gucklöcher. Paco Rabanne zeigte Kopfschmutz, der an eine futuristische Interpretation der Kopftücher aus dem Altertum erinnerte und ausschließlich die Mundpartie erkennen lies.

Dies sollen nur einzelne Beispiele sein; tatsächlich gibt es diesen Trend seit einiger Zeit, wohl auch weil Designer den steigenden Druck empfinden, innovativ zu sein. Aber nehmen wir dieses Stückchen Design doch einmal auseinander, und sehen, was sich da noch interpretieren lässt.

Die meisten Masken gehen so weit, das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zu verdecken. Dadurch wird das Modell allein auf ihre Bewegungen reduziert und ihre eigentlichen Charakteristika bis auf ihre Silhouette verdeckt. Genau das Gesicht ist für uns Menschen aber essentiell, um einen anderen Menschen wirklich zu erfassen. Nicht ohne Grund ist es für uns besonders schwer, Gesichter zu erkennen. Wir tun uns ausgesprochen schwer darin, die einzelnen Aspekte genau zu identifizieren und wieder zu erkennen, ganz anders als mit anderen Objekten.

Gesichter sind essentiell, wen wir einen anderen Menschen einschätzen wollen. Wir können die einzelnen Muskelbewegungen deuten und die Blickrichtung interpretieren und so auf Gefühle und Charakterzüge zurück schließen.

Oft genug gab es in der Geschichte auch den Versuch, bestimmte Stigma mit der Beschaffenheit eines Gesichtes zu verknüpfen. Tatsächlich ließen sich die vermuteten Rückschlüsse von Gesichtszügen auf Persönlichkeit aber nie halten. Dies ist ein gutes Beispiel vür Alltagspsychologie, bei der man zunächst davon ausgeht, einen Zusammenhang erkannt zu haben, der sich dann allerdings unter wissenschaftlichen Methoden nicht halten lässt. Deutlich wird dabei aber, wie zentral Gesichter und ihre Interpretation für uns sind. Nicht ohne Grund bedecken Angeklagte vor Gericht ihr Gesicht und nicht ihre Silhouette oder andere Teile ihres Körpers. Nichts ist wichtiger als das Gesicht und insbesondere die Augen.

Was geht da also vor sich, genau diese Regionen zu bedecken und gleichzeitig den Körper zu betonen. Eine mögliche Interpretation wäre, dass persönliche Züge vor dem Erscheinungsbild, was anderen geboten wird, zurückzutreten haben.

Dies ist ein gesellschaftliches Verhaltensmaß, dass seit einer ganzen Weile gelebt wird. Wir predigen die Individualität der einzelnen und feiern „Diversity“ aber das bleibt meistens ein Appell, denn wirklich anders zu sein ist erschreckend und isolierend. Besser angepasst bleiben und perfektionieren, was andere für gut befunden haben.

So wie durch den (früheren?) Mager-Trend verdeutlicht wurde, eine Frau habe so unauffällig wie möglich zu sein, bis hin zu ihrem eigenen Verschwinden, so sind nun individuelle Züge überflüssig. Die Mode sieht ihre Aufgabe weniger darin, die Züge zu kleiden und hervor zu heben als eher darin, sie vollständig zu überdecken um ein wirklich ansehnliches Ergebnis hervor zu bringen.

Dabei haben wir es mit einem Henne-Ei-Problem zu tun: Schreiben uns Designer vor, welche Rolle wir erfüllen müssen, oder haben sie nur die unsichtbare Stimmung eingefangen, die uns alle umgibt und ihr mit ihrer Mode ausgedrückt? Wie dem auch sein, können wir es einfach als einen Spiegel unseres Zeitgeistes sehen und uns selber überlegen, was wir damit anfangen. Es bleibt auch immer die Möglichkeit, dass es einfach eine Laune der Mode ist und keiner weiteren, tiefen Interpretation bedarf.

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