Deutschland verfolgt gebannt den Vorlauf der US-Wahlen. Ich auch. Habe alle Debatten der beiden Kandidaten gesehen. Könnte jetzt aber nicht mal eine handvoll der aktuellen Minister meiner eigenen Regierung aufzählen. Wie kommt das eigentlich? Warum sind wir so gebannt, was da auf der anderen Seite des großen Teiches abgeht?
Weil es wichtig ist, wie sich eine Weltmacht neu positioniert und das weitreichende Folgen haben kann? Zählt nicht! Wer regiert gerade China? Oder Brasilien? Für keinen der Big Player interessieren wir uns so sehr wie für die USA. Vielleicht steckt noch etwas anderes dahinter als politisches Interesse, denn das ist bei mir eher mittelmäßig und wie gesagt bin ich bestens im Bilde über das stundenlange Scharmützel vor laufender Kamera.
Vielleicht ist genau das die Krux. Was wir zusehen bekommen erinnert stark an ein Gemisch aus hochkarätiger Reality- und altbewährter Castingshow. Zwei Kontrahenten, ein Preis. Die Jury ist das wild gewordene Volk. Berni Sanders ist bereits ausgeschieden und bekommt leider kein Bild – äh Kreuzchen mehr auf dem Stimmzettel. Das Publikum darf wählen, wer am Ende den Titel bekommt – denn nur einer kann Amerikas nächster Top-Präsident werden.
Für uns bleibt der pure Unterhaltungswert, denn auf unsere Meinung legt unter den stimmberechtigten Amerikanern sicher niemand wert. Passt uns nicht so recht, immerhin sehen wir ja vermeintlich viel klarer als eine Menge der tatsächlichen Wähler, die nicht von ihrem chauvinistischen Wirtschafts-Hengst lassen können, komme an Skandalen was wolle.
Sehr bequem alles – für uns. Wir genießen eine angenehme Distanz zu dem moralischen Zerfleischen im Land der Sternchen und Streifen. Dort scheint es zum guten Ton zu gehören selbigen in garstig gegenüber dem Kontrahenten an zu schlagen. Politik ist eher zweitrangig. Aber sonst wäre es ja auch nur halb zu spannend, würde nicht ein Skandal den nächsten jagen.
Nun stehen die beiden Kandidaten der Endrunde fest, der stimmberechtigte Zuschauer darf im Finale für seinen Favoriten anrufen – seine Stimme abgeben, meinte ich und erfährt, wen er sich da für mindestens vier Jahre angelacht hat.